Albanische Grabkunst
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Die Albaner haben keine entwickelte eigene Grabkultur. Gepflegte alte
Friedhöfe, wie man sie in anderen europäischen Ländern findet, sucht man hier
vergebens. Erhaltene Gräber aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg sind recht
selten. Die Hauptgründe hierfür sind sowohl die Wellen der Zerstörung und
Selbstzerstörungswut, die in albanischen Ländern so oft geschlagen haben,
wie auch die Tatsache, dass die meisten Albaner in osmanischer Zeit aus
praktischen Gründen zum Islam konvertierten. Obwohl inbrünstige Religiosität
– muslimisch oder christlich – keine besonders albanische Eigenschaft ist,
haben die meisten albanischen Muslime islamische Beerdigungssitten
respektiert. Die Toten werden schnell unter die Erde gebracht, möglichst
innerhalb von 24 Stunden, und es bleibt auf dem Grab meistens nur Erde,
höchstens ein Stein, unbearbeitet und anonym, da islamische Tradition
aufwendige Grabsteine missbilligt.
Katholische und Orthodoxe Albaner haben oft aufwendigere Gräber,
traditionell mit christlichen Kreuzen und Symbolen versehen. In den
katholischen Friedhöfen der nordalbanischen Berge findet man hier und da
Grabsteine und Holzkreuze, die mit alter Volkskunst versehen sind – Sonne,
Mond, Sterne, Vögel, Schlangen, usw. Auf alten Holzkreuzen sitzend sieht man
bisweilen noch fein geschnitzte Vögel. Allerdings sind solche alten, mit Volks-
kunst verzierten Gräber heute selten. Man findet sie vor allem in den Stammes-
gebieten der Shala, Kelmendi, Hoti, Gruda und Triepshi.
Eine erstaunliche Ausnahme bildet der katholische Friedhof von
Vuksanlekaj (serbisch: Vuksanlekići) in Montenegro. Diese auf der
Hauptstraße zwischen der montenegrinischen Hauptstadt Podgorica und der
nordalbanischen Stadt Shkodra (Skutari) gelegene Siedlung befindet sich im
Stammesgebiet der albanischen Hoti, das 1913 nach der montenegrinischen
Eroberung zwischen Montenegro und Albanien geteilt wurde.
Es bestehen keine zuverlässigen Angaben zur Datierung der einmaligen, mit
traditioneller albanischer Volkskunst versehenen Grabsteine in diesem
außerordentlichen Friedhof. Man schätzt, dass die Gräber aus dem frühen
zwanzigsten bzw. aus der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts
stammen. Viele der Motive auf den Gräben sind allerdings viel älter.